Besonders ausdrucksstark ausgearbeitet sind sowohl der Christuskorpus als auch die Marienfigur mit dem auffallend großen Rosenkranz
Das Flurkreuz auf der Hardt am Malscher Weg - Teil II
Zur näheren Betrachtung des Kreuz-Ensembles, das am 19. Juli 2021 seiner Bestimmung übergeben wurde. Die dargestellte Marienfigur verwendet einige Symbole, die an den bisher vorgefundenen Madonnen bei den Kreuzen Bietigheims nicht vorkommen. Maria steht mit gefalteten Händen und in die Ferne gerichtetem Blick da. An ihrem Arm fällt sogleich der über-dimensional groß ausgearbeitete Rosenkranz auf. Dieser reicht bis unter das rechte Knie. Damit geht er in seiner Proportionalität weit über das übliche Größenverhältnis hinaus. Die Frage, weshalb dies so dargestellt ist, lässt sich eventuell dahingehend beantworten als man vermuten kann, dass die Kreuzesstifter Karl Schmitt und sein Bruder Theodor die noch bis heute weltweit praktizierte Marienverehrung ganz besonders mit dem Rosenkranzgebet verbunden haben. Dieses beinhaltet die Ver-ehrung der Gottesmutter in besonderer Weise in Bezug auf Jesus Christus. Somit betont der Rosen-kranz auf dem Kreuzensemble diese innere Einheit zwischen der schmerzvollen, leidenden Mutter und ihrem gekreuzigten Sohn nachhaltig und in eindringlicher Weise. Als ob dieser Hinweis für den kundigen Betrachter nicht reiche, wurde auch auf den Füßen Marias jeweils eine Rosenblüte angefügt. Da das Kreuz im Original vor 100 Jahren aufgestellt wurde, konnte der Steinbildhauer davon ausgehen, dass die damaligen Betrachter um diese inneren Zusammenhänge wussten. Heute ist dieses Wissen vielfach nicht mehr vorhanden. Auch der kleine Sockel, auf dem Maria steht, wurde mit zwei Rosenzweigen, deren Dornen deutlich zu sehen sind, umrankt. Dieses Rosenmotiv geht wahrscheinlich zurück auf eine Beschreibung der Gottesmutter, die von der Heiligen Bernadette Soubirous aus der französischen Pyrenäenstadt Lourdes stammt. Ihr soll im Jahre 1858, als sie gerade 14 Jahre alt war, mehrmals die Mutter Gottes erschienen sein. Im Jahre 1933 wurde sie heiliggesprochen. Es gibt eine Beschreibung von ihr, nach der sie die Madonna als sehr junge und schöne Frau gesehen haben soll. Hierbei sollen besonders die goldenen Rosen auffällig gewesen sein, die an ihren Füßen angebracht gewesen seien. Damit findet das gesamte Bildprogramm dieser Madonna seinen tief religiös geprägten Abschluss. Es ist zu sehen, dass die gesamte Kreuzesdarstellung letztlich eine harmonische Komposition zwischen dem gekreuzigten, gemarterten und getöteten Christus und seiner hochgelobten und allzeit gepriesenen Mutter Maria versinnbildlicht. Nur der sichere Glaube der Stifter daran, dass der Tod des Gottessohnes Erlösung für die Menschen bedeutete, machte es möglich, ein derartiges Ensemble zu schaffen, wie es hier zu sehen ist. Wie kam es zu einem so tief verwurzelten Glauben? Sicher hängt dies auch mit dem abgegebenen Gelübde zusammen, das Karl Schmitt in höchster Todesnot abgelegt hat. „Wenn ich jemals heil und unversehrt aus dieser Lage herauskommen sollte, werde ich zum Dank in meiner Heimatgemeinde Bietigheim ein Kreuz zu Ehren Gottes errichten lassen.“ Die gesamte Geschichte zu diesem Kriegserlebnis mit dem ungewöhnlichen Gelöbnis wurde bereits an anderer Stelle veröffentlicht (siehe Gemeindeanzeiger Bietigheim vom 29. Juli 2021). Betrachtet man den Christuskörper über der Marienstatue, so sieht man, dass Jesus selbst dargestellt ist, als ob er friedlich eingeschlafen wäre. Sein Gesicht, das von einem fein ausgearbeiteten Bart umrahmt wird, scheint kaum von Leid und Schmerz geprägt zu sein. Die Augen sind geschlossen und langes, wallendes Haar reicht bis zu den Schultern. Die Dornenkrone wirkt beinahe schon wie eine majestätische Krone. Sie ist sorgfältig und symmetrisch geflochten und macht kaum den Eindruck, als ob sie ursprünglich als Folterinstrument eingesetzt worden wäre. Hier wird vielleicht bereits der „Christkönig“, der Sieger über den Tod angedeutet. Sein jugendlich wirkender Körper wird nur von einem schmalen Lendentuch umschlossen. Es ist mit einem Strick, ähnlich einer Kordel, um seine Hüften gebunden. Das linke Bein ruht über dem rechten. Die Füße sind mit einem Nagel am Längsbalken fixiert. Nur noch eine weitere Kreuzesdarstellung auf unserer Gemarkung hat diese Beinhaltung (vgl. das Kreuz in der Bahnhofstraße 14 a). Bei allen anderen liegt das rechte Bein über dem linken. Eine tragfähige Interpretation dieser Feststellung scheint nicht möglich zu sein. Insgesamt weist der schmale Körper keine Folterspuren, Hinweise auf Verletzungen oder gar Blut-spuren auf. Bis zur Restauration des Vorgänger-Kreuzes im Jahre 2018 war dies anders. Jenes war insgesamt mit weißer Farbe gestrichen. Die Haare, der Bart, die Dornenkrone und das Lendentuch waren in Braun gehalten und die Spuren der Kreuzigungsnägel zeugten von den Folterqualen Jesu. Auch der Mantel der Madonna wies das typische Himmelblau auf, während der Rosenkranz gold-farben hervorgehoben war. Farbe fehlte an dem durch einen Ast zerstörten Kreuz völlig. Auch die neue, heutige Kreuz-Kopie besteht aus den reinen, natürlichen Farben des verwendeten Sandsteines. Dieser weist einen leicht gelblichen Grundton auf. Einzig die Schrift ist in Gold gehalten. Die Hände sind in der bekannten Form am Querbalken mit je einem Nagel befestigt. Die Form der Kleeblatt-Enden am Längsstamm oben sowie am Querbalken findet sich hier wieder, ähnlich dem Kreuz an der Rhein-Kirchstraße. Allerdings befinden sich keine Engelsköpfe auf dem Kreuz. Auch der INRI-Hinweis ist vorhanden. Der Sockeltext wurde mit dem damaligen Ortspfarrer August Graf und dessen zu-ständigem Bischof in Freiburg festgelegt: „Herr, zum Segen ragt dein Bild Über unserm Saatgefild Laß vom Acker Brot uns sprießen Und vom Kreuze Gnad zufließen Gestiftet von Familie Karl Schmitt u. Bruder Theodor Im Jahr 1921 Betet für die armen Seelen.“